Rezension: „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante

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„Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante (Bildquelle: Suhrkamp)

„Ich befürchtete, dass sie etwas Schönes oder Schlimmes erlebte ohne dass ich dabei war. Es war eine alte Angst, eine Angst die mich nie verlassen hatte, die Angst, mein Leben könnte an Intensität und Gewicht verlieren, wenn ich Teile ihres Lebens verpasste.“ (S. 265)

Inhalt: „Meine geniale Freundin“ erzählt die Geschichte der Freundinnen Elena und Lila. Dabei ist Elena die Erzählerin. Die Mädchen wachsen im Arbeiterviertel Rione Neapels auf. Ein Milieu, in dem es sehr rauh zugeht, bestimmt den Alltag der Mädchen, deren Freundschaft alles andere als gewöhnlich ist.
Im ersten Band der neapolitanischen Reihe erfährt man wie die Freundschaft entstanden ist und welche Ereignisse Elena und Lila in ihrer Kindheit und Jugend geprägt haben.

Leseeindruck: Ich gebe zu, mich hat der Hype ums Buch sehr fasziniert. Keiner wusste wer hinter dem Pseudonym Elena Ferrante steckte. Überall ist man über das Buch gestolpert und die Leute redeten darüber. Ich wollte also auch wissen was an diesem Buch so besonders ist. Meine Erwartung an die Story und deren Faszination war also recht hoch.
Weder das Personenregister noch der rauhe Stil konnten mich also abhalten. Ich habe das Buch komplett gelesen. Allerdings habe ich recht lange dafür gebraucht, da ich es immer wieder zur Seite gelegt habe beziehungsweise legen musste.
Der Funke wollte einfach nicht überspringen. Es mag ja sein, dass es im Neapel der 1950/60er so derb zugegangen ist. Mir war das jedoch eine Spur zu heftig. Flüche und Gewalt sind an der Tagesordnung egal ob bei jung oder alt. Ich konnte mein Herz einfach für keinen der Charaktere erwärmen. Genauso ging es mir mit der Freundschaft der beiden Mädchen. Sie ist geprägt von Neid, Mißgunst und dem ständigen Wettbewerb der beiden untereinander. Sei es in schulischen, sozialen oder körperlichen Belangen. Dieses Verhalten hat mich sehr irritiert, denn das macht für mich keine Freundschaft aus.
Elena beschreibt die Ereignisse ihrer gemeinsamen Kindheit rückblickend als erwachsene Frau, vielleicht kommt daher auch der abgeklärte Tonfall. Zwischenzeitlich hatte ich tatsächlich vergessen, dass die beiden noch Kinder sind. So viel Rivalität und Abgeklärtheit erwarte ich nicht bei Kindern.

Als Milieustudie Neapels taugt die Geschichte weit besser. Der Leser verfolgt die Entwicklung zahlreicher Charaktere über mehrere Jahre hinweg. Freundschaften und Rivalitäten entstehen und vergehen wieder. Jeder steht zu jedem in irgendeiner Beziehung, deshalb wirken sich Entscheidungen eines Einzelnen auch immer gleich auf mehrere andere aus. Diese Dynamik hat mir schon gut gefallen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich Elenas Entwicklung dabei deutlich interessanter fand als Lilas.

Die Faszination, die von Lila ausgeht ist bei mir nicht angekommen, vielmehr mochte ich sie mit jeder Seite weniger, was es natürlich schwer gemacht hat, überhaupt mit der Story warm zu werden.

Lieblingsnebencharakter: Ich habe tatsächlich keinen. Gerade in diesem Buch gibt es eine Unmenge an Charakteren und doch ist mir keiner dauerhaft in Erinnerung geblieben. Nicht die einzelnen Charaktere sind haften geblieben, sondern ein Gesamtbild des Rione in Neapel. Nicht der Einzelne zählt, sondern alle gemeinsam stellen die Gesellschaft dar.

Fazit: Eher eine Milieustudie Neapels als die Geschichte einer Freundschaft. Betrachte ich nur diesen ersten Band ist mir bis jetzt nicht klar, weshalb Lilas und Elenas Freundschaft so besonders ist. Wer irgendwann mal alle Bände gelesen hat, der wird vielleicht auch erkennen welche Auswirkungen der Beginn der Freundschaft auf das weitere Leben der Mädchen  haben wird.
Ich habe leider bis zum Schluss keinen richtigen Zugang zu den Figuren und deren Geschichte gefunden. Schade, denn ich war bereit mich auf die Story einzulassen. Aber vielleicht waren meine Erwartungen auch einfach zu hoch. Das Ende deutet immerhin auf einen konfliktreichen Fortgang der Geschichte hin. 3 Sterne vergebe ich für ein Buch, das nicht meinen Nerv getroffen hat, mir aber trotzdem noch im Kopf rumgeistert, weil es so anders ist und damit für eine Menge Gesprächsstoff sorgt.

Bewertung:

3 out of 5 stars

Bibliographische Angaben:
Autorin: Elena Ferrante (Übersetzung: Karin Krieger)
Titel: „Meine geniale Freundin“ (Neapolitanische Saga, Bd. 1)
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 9783518425534
Ausgabe: Hardcover (22,- EUR)

4 Gedanken zu „Rezension: „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante

  1. Ani Rahtak

    Danke für die Rezension :) Ich hatte überlegt,mir das Buch zu kaufen,aber nun…ich weiß,dass wir einen ähnlichen Lesegeschmack haben,deshalb werde ich mir das Buch wohl eher mal ausleihen :)

    Liebe Grüße,
    Ani Rahtak

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    1. Madame Klappentext Beitragsautor

      Liebe Ani :-) ,
      ja, ich kann jetzt auch nicht sagen, dass mir das Buch überhaupt nicht gefallen hat, aber der ganze Hype um das Buch war vielleicht doch ein wenig zu viel.
      Ich bin mir sicher, dass dir der Lesestoff nicht ausgehen wird ;-)
      Liebe Grüße Kristin

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  3. Literally Sabrina

    Hallo,

    deine Rezension zum Debüt der Tetralogie von Elena Ferrante gefällt mir sehr gut. Das Buch wartet noch auf meinem SuB darauf, von mir gelesen zu werden. Habe es zu Weihnachten bekommen und vielleicht schaffe ich es ja, mit der Reihe zu beginnen, wenn alle Welt schon mit dem vierten Band durch ist. ;)

    Viele Grüße,
    Sabrina

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