Rezenezion: „Als wir uns die Welt versprachen“ von Romina Casagrande

Cover „Als wr uns die Welt versprachen“ (Bildrechte: Fischer Verlage)

„Hier begann eine Reise, von der sie noch nicht wusste, wie sie enden würde. Sie spürte wieder das gleiche Kribbeln und das Pochen in den Schläfen. Den Geschmack von Angst auf der Zunge. Es war alles wie damals.“

(S.381)

Inhalt: Jakob und Edna müssen schon als Kinder weit weg von zu Hause auf fremden Höfen schwer arbeiten. Siesind Schwabenkinder, die von ihren Südtiroler Eltern in die Ferne zu schwäbischen Bauern geschickt wurden. „Als wir uns die Welt versprachen“ erzählt von dem beschwerlichen Leben auf dem Hof und einer Freundschaft, die alle Zeiten überdauert hat.
Die nun schon alte Edna begibt sich nocheinmal auf den Weg nach Ravensburg, denn sie hat noch eine alte Schuld bei Jakob zu begleichen. Fest entschlossen macht sie sich mit ihrem Papagei Emil auf den Weg über Alpen und muss so einige Hindernisse überwinden.

Leseeindruck: Edna steht im Mittelpunkt der Geschichte. Sowohl in der Gegenwart, als auch in den Rückblicken zur Kindheit auf dem Hof. Das macht sie unangefochten zur Hauptfigur der Geschichte und sie füllt die Rolle wirklich toll aus. Sie ist gleichzeitig sehr stark und zerbrechlich. Diese beiden Eigenschaften behält sie sich bis ins hohe Alter bei. Genau das macht sie so sympathisch, denn sie hat einen unbändigen Willen, ist sich ihrer Schwächen aber sehrwohl bewusst. Am liebsten hätte ich sie auf ihrer Reise begleitet, in mein Auto gepackt und eine gemütliche Fahrt über die Alpen mit ihr gemacht. Edna aber begibt sich allein mit Emil ins Abenteuer und ist dabei zunächst ganz auf sich und ihre schwindenen Kräfte angewiesen. Nur gut, dass sie auf ihrer Reise so viel tatkräftige Unterstützung von den unterschiedlichsten Menschen erhält, die ebenfalls vom Leben gezeichnet sind. Durch die vielen Begegnungen bekommt man einen Einblick in die verschiedensten Lebensarten und auch Edna verändert sich mit jeder Begegnung ein wenig.
Die Rückblicke zur Zeit auf dem Hof haben mich allesamt bedrückt, umso beeindruckender finde ich Ednas positiven Charakter, auch wenn man natürlich merkt, dass diese traumatische Kindheit nicht spurlos an ihr vorüber gezogen ist. Das konnte sie auch gar nicht. In jedem Fall sind die Charaktere bis auf wenige Ausnahmen – zB. Max, er ist in meinen Augen nur dazu da, der Gegenwartshandlung mehr Tempo zu geben – toll und glaubwürdig gezeichnet. Edna stolpert mit ihren neuen Bekanntschaften von einer verrückten Situation zur nächsten und trotzdem bleibt die Dramatik ihrer Kindheit auch in der Gegenwart erhalten. Toll, wie die Autorin zwei so gegensätzliche Stimmungen zu einem großen Ganzen verknüpft. Die Frage nach Ednas Antrieb war mein Hauptgrund ihrem Weg zu folgen, denn von Beginn an steht die Frage im Raum, warum die Reise zu Jakob so wichtig ist. Ich finde, die Auflösung ist sehr gut gelungen, die Erkenntnis darüber wie sehr Edna die Vergangenheit immernoch beeinflusst hat, hat mich aber auch sehr bewegt.

Lieblingsnebencharakter: Edna lernt auf ihrer Reise so viele tolle Charaktere kennen, da fällt die Wahl nicht leicht. Letztendlich sind mir Priska und Flo auch nach Wochen noch in Erinnung geblieben. Wahrscheinlich wegen ihrer ganz besonderen Beziehung zu Emil. Wenn Emil nicht so wichtig für die Geschichte wäre, dann hätte er diesen Platz hier verdient, da er Edna eine wirklich gute Stütze ist und auch in der Vergangenheit war. Ich möchte mir nicht ausmalen, was sie ohne ihn machen würde. Nur gut, dass Papageien so alt werden.
Innerhalb der Vergangenheitsgeschichte habe ich dagegen eine ganz klare Favoritin: Anja. Ihr Schicksal hat mich genauso mitgenommen wie damals Edna auch. So viele Fragen zu ihr bleiben unbeantwortet. Dieses kleine Mädchen darf einfach nicht vergessen werden.

Fazit: Dieser Roman zeichnet mal einen ganz besonderen Roadtrip nach. Keine hippen jungen Leute auf der Suche nach Spaß oder dem Sinn des Lebens, sondern eine alte Frau, die wieder mit sich im Reinen sein will, damit am Lebensende keine Schuld mehr offen ist. Eine wirklich berührende Geschichte voller Charme, Witz aber auch Tragik. Ein paar erzählerische Längen in der Gegenwartshandlung haben einen Stern gekostet.

Bewertung
4 out of 5 stars

Bibliographisch Angaben:
Titel: Als wir uns die Welt versprachen
Autorin: Romina Casagrande
Übersetzung: Katharina Schmidt / Barbara
Verlag: FISCHER – Krüger
ISBN: 97838
Ausgabe: Hardcover (22 Euro)

Ich danke dem Verlag und vorablesen für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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