Rezension: „Cloris“ von Rye Curtis

Cover „Cloris“ (Bildrechte: C.H. Beck)

„Und nichts im Leben bedeutet am Ende genau das, was Sie erwartet haben, und es ist auch nichts simpel oder einfach, vor allem, wenn Sie so alt sind wie ich.“

(S.351)

Inhalt: Mit Anfang 70 ist Cloris die einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzed. Die kleine Maschine wird zunächst von niemandem vermisst, daher ist Cloris in den Wäldern der amerikanischen Wildnis zunächst ganz auf sich allein gestellt. Wie überlebt man allein und was macht es mit einem Menschen, wenn die Einsamkeit zum Alltag wird. All diese Fragen umtreiben die resolute Cloris. Parallel begleitet man die Ranger bei ihrer Suche nach der Vermissten, wobei nur Rangerin Lewis so recht dran glauben will, dass es da draußen noch jemanden zum Retten gibt.

Leseeindruck: Das Buch gliedert sich grundsätzlich in zwei Handlungsstränge. Cloris erzählt als über 90jährige Ich-Erzählerin rückblickend von ihren prägenden Erlebnissen in der Wildnis und auf der anderen Seite erfahren wir durch einen recht distanzierten Erzähler, was die Ranger rund um Debra Lewis unternehmen, um Cloris zu finden. So schnell ich Cloris in meine Herz geschlossen habe, da sie eine großartige Erzählerin mit einem entwaffnendem Humor ist, so sehr fiel es mir schwer eine Bindung zu den Charakteren der Ranger-Story aufzubauen. Der derbe Umgangston und auch, dass auf fast jeder Seite dieser Storyline das Wort Merlot fällt, haben mich ermüdet. Außerdem hat mich die eigenwillige Zeichensetzung sehr irritiert. Ich habe wirklich versucht, mit diesem Teil der Geschichte warm zu werden, aber es hat einfach geklappt. Debra und ihre Kollegen haben alle mehr oder weniger mit privaten Problemen zu kämpfen und gehen dabei recht eigen vor, was deren Lösung betrifft. Ich gebe zu, dass ich durch die Ranger-Kapitel eher geflogen bin, da ich unbedingt wissen wollte, wie es mit Cloris weitergeht. Ihr Pragmatismus hat mich wirklich beeindruckt. Wie klar sie die Dinge sieht und wie sie über sich hinauswächst ist unglaublich. Als konservativ erzogene Texanerin muss sie mehr als einmal über ihren Schatten springen, um zu überleben. Zum einen trifft sie auf wilde Tiere, aber auch auf einen eigenbrödlerichen Begleiter, der ihr einiges an Vertrauen abverlangt. (Ohne Spoiler ist es einfach unmöglich über Cloris Begleitung zu sprechen, nur so viel sei gesagt: Ob man jemandem vertraut, hängt von den persönlichen Erfahrungen ab.) Innerhalb ihrer Erzählung sorgt der Kontrast des Überlebenskampfes und die scheinbar trivialen Erlebnisse aus ihrem bisherigen Leben für eine Menge Abwechslung. Dabei ist sie schonungslos ehrlich und nimmt kein Blatt vor den Mund. Diese Einstellung hat mir imponiert. Man merkt einfach, dass sie die Erlebnisse in der Wildnis nachhaltig geprägt haben. Cloris verhält sich nach Monaten in der Wildnis teilweise so eigenartig, dass ich sie beim Lesen am liebsten angeschrien hätte, um sie zu fragen, was sie da tut. Dabei musste ich mir aber immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass ich keine Ahnung habe, wie es ist allein, verletzt, geschwächt und abseits aller Zivilisation ums Überleben zu kämpfen. Deshalb seien ihr alle Merkwürdigkeiten verziehen. Cloris‘ Charakterzeichnung ist überhaupt sehr gut. Seite für Seite kann man ihre Entwicklung mitverfolgen. Genau diese Entwicklung konnte ich in der Ranger-Storyline nicht erkennen. Einzig und allein Cloris ist es zu verdanken, dass ich dieses Buch beendet habe. 

Lieblingsnebencharakter: Ich möchte mich auch hier auf Cloris‘ Erzählung beschränken. Daher ist mein  Lieblingscharakter eindeutig Mr. Waldrip. Cloris Ehemann. Die beiden haben ein ganzes Leben miteinander verbracht, dass sie sich necken konnten und immer wussten, dass die innere Verbundenheit einfach stärker ist. Ich denke, die Liebe ihres Ehemanns hat Cloris auch nach dessen Tod Kraft gegeben. Diese Vorstellung finde ich einfach wunderschön.

Fazit: Eine Abenteuergeschichte der ganz anderen Art erwartet den Leser. Neben dem puren Überlebenskampf steht die Charakterentwicklung im Mittelpunkt, die nachzeichnet, was ein solch hartes Schicksal mit einem Menschen macht. Cloris Geschichte packt den Leser dabei sofort und lässt einen auch so schnell nicht mehr los, da man sich zwangsläufig immer wieder die Frage stellt, wie man selbst in so einer Ausnahmesituation reagieren würde. Wäre es nur Cloris, um die es hier ginge, hätte ich volle 5 Sterne vergeben. Allerdings habe ich persönlich die Storyline um die Ranger als störend empfunden, daher werden es insgesamt nur 3 Sterne. Trotzdem gibts von mir eine klare Leseempfehlung, da Cloris einfach so besonders ist, wer dann den Rangern noch eine Chance gibt und auch einen Zugang zu Debra und ihren Kollegen findet, dem steht ein großartiges Leseerlebnis bevor.

Bewertung
3 out of 5 stars

Bibliographisch Angaben:
Titel: Cloris
Autor: Rye Curtis
Übersetzung: Cornelius Hartz
Verlag: C.H. Beck
ISBN: 9783406755354
Ausgabe: Hardcover (24 Euro)

Dieses Buch wurde mir vom Verlag ohne weitere Verpflichtung als Leseexempar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank. Die Rezension erfolgt auf freiwilliger Basis.

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