„Aus Luises Notizbuch:
– Ungewöhnliches neben Gewöhnliches legen, als Magnet […]
– Vertrauen schaffen, Wohlbefinden signalisieren“
(S.267)
Inhalt: Luise, Annabell, Helga und Marie sind vier unterschiedliche Frauen, die versuchen im Deutschland der 1950er Jahre ihren Weg zu gehen und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Die eine möchte einen Tante-Emma-Laden eröffnen, die andere mit ihrer Rolle als Gattin eines Doktors glücklich werden, die dritte versucht sich von ihren Eltern zu emanzipieren und die letzte sucht eine sichere Heimat. Jede hat mit den Schrecken des Krieges ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht und es stehen neue Herausforderungen an, die bewältigt werden wollen. Ein Roman über den Neubeginn und eine ganz besondere Aufbruchsstimmung von vier Frauen, die sich alle nur ein geordnetes Leben wünschen.
Leseeindruck: Bei diesem Roman weiß ich gar nicht recht wo ich anfangen soll. So viele Aspekte haben mich beschäftigt von den Charakteren bis hin zu den aufgegriffenen Themen: Aber der Reihe nach: Alles dreht sich um die vier Frauen, wobei in jedem Kapitel eine andere im Mittelpunkt steht und sich erst nach und nach Berührungspunkte ergeben. Mir gefällt dieser Wechsel der Perspektive immer sehr gut, da man so verschiedene Blickwinkel einer Geschichte oder Situation erleben kann. Hier liegt die Besonderheit eben darin, dass es ausschließlich Frauen sind, die in den Fokus rücken. Ein wahrer Pluspunkt. Die vier verschiedenen Charaktere sind gut gewählt und bieten mit ihren verschiedenen Geschichten viel Abwechslung. Alle vier haben ihre Ecken und Kanten und sind sicher nicht perfekt, aber genau das macht sie menschlich. Die Story und auch der Schreibstil sind leicht und gut verständlich. Für mich der Inbegriff eines Schmökers, in den man einfach abtauchen kann und super unterhalten wird. Man muss nichts hinterfragen oder wird sich über die Maßen beim Lesen konzentrieren. Dieses Buch tut einfach gut und macht Spaß. Genau das ist eine Besonderheit, da trotz allem ernste Themen angesprochen werden. Die Rolle der Frau war in den 1950ern noch eine ganz andere und das kommt an so vielen Stellen zum Tragen. Ganz oft dachte ich: „Wahnsinn was heute für viele Frauen selbstverständlich ist und für unsere Großmütter noch unerreichbar war.“ Da wäre zum Beispiel die Zustimmung zur Arbeit, die man als Frau vom Ehemann oder Vater brauchte. Die fehlende Unterstützung für Alleinerziehende und immer wieder die unterschwellige Annahme, dass man als Frau einfach seine Rolle des Mannes zu erfüllen hat. Wie froh bin ich, dass gerade Luise die Dinge selbst in die Hand nimmt. Ihr Laden war auch der Grund, weshalb ich das Buch unbedingt lesen wollte. Ich mag so kleine Geschäfte mit Charme, die vom Enthusiasmus der Belegschaft leben. Noch dazu haben mich viele kleine Details an meine eigene Familiengeschichte erinnert. Selbstständigkeit und Vertreibung haben mich aus dem Grund besonders angesprochen und meine Gedanken schweifen lassen. Gleichzeitig wurde mir bewusst wie wenig ich über diesen Zeitraum der deutschen Alltagsgeschichte weiß. Viel zu oft habe ich angenommen, dass das doch alles ganz gut machbar gewesen sein muss, schließlich ist der Krieg schon 8 Jahre vorüber. Nein erst Jahre habe ich gelernt. Die Nachwirkungen und Aufarbeitungen zum Krieg sind noch in vollem Gange und beschäftigen die Menschen. Trotz aller Leichtigkeit, die sich die vier Frauen hin und wieder erlauben, hängen doch die Schrecken des Krieges und die Alltagssorgen über ihnen.
Die Charakterentwicklung der vier Frauen hat mir wirklich gut gefallen, denn auch wenn die vier jeweils so einige Klischees bedienen, sind sie doch so viel mehr.
Luise ist die Kämpferin, die alle Fäden in der Hand hält und ein wahres Organisationstalent noch dazu. Auf der anderen Seite ist sie verletzlich. Marie wiederum ist von Grund auf verletzlich und ängstlich, aber durch und durch gut. Annabell hat auch ihre guten Seiten, die sie allerdings gekonnt hinter einer gehörigen Portion Arroganz und Überheblichkeit verbirgt und das alles nur weil sie unsicher ist. Helga dagegen ist alles andere als unsicher, dafür aber auf der Suche nach Anerkennung um ihrer selbstwillen.
Eine tolle Mischung geben die vier ab und sorgen für eine Menge Abwechslung. Für Unterhaltung sorgen übrigens auch die Eintragungen aus Luises Notizheft, die sich zwischen den Kapiteln befinden. Auf diese Weise erfährt man noch eine Menge zusätzlicher Dinge rund um den Laden und Luises Gedanken. Eine tolle Idee.
Lieblingsnebencharakter: Martin, Luises Bruder ist mir schon zu Beginn ans Herz gewachsen. Er ist ein guter Charakter, der es verdient hat geliebt zu werden. Ich gönne ihm alles Glück.
Fazit: Ein Buch, das einen sofort in die 1950er versetzt und der Leserin oder dem einen oder anderen Leser eine rundum gute Zeit verschafft. Sicher ist das Buch einfach gestrickt, aber Unterhaltung darf auch locker-leicht sein. Es muss nicht immer anstrengend sein, um gut zu sein. Frauen fühlen sich trotz des Fußballthemas der zweiten Hälfte bestimmt eher angesprochen, da die Frauenfiguren im Mittelpunkt der Handlung stehen. Die Herren der Schöpfung kommen dabei nicht immer so gut weg.
Für das letzte Sternchen fehlt mir das gewisse etwas, aber vielleicht versteckt sich das in den Folgebänden, die da noch kommen werden. Und leider habe ich immer so meine Probleme mit Covern, die mir schon das Aussehen der Protagonisten vorgeben. Es ist so viel schöner, wenn sich in meinem Kopf ein eigenes Bild formt. Der Inhalt macht dieses Manko zum Glück wett und es stört sicher auch nicht jeden.
Vielen Dank an Stephanie Schuster. Durch ihren liebevoll gestalteten Instagramaccount @leselieben bin ich überhaupt erst auf „Die Wunderfrauen“ aufmerksam geworden und so dankbar dafür. Der nette Kontakt über die sozialen Medien hat es auch möglich gemacht, dass mir der Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Vielen Dank.
Bibliographisch Angaben:
Titel: Die Wunderfrauen – Alles was das Herz begehrt
Autorin: Stephanie Schuster
Verlag: S. Fischer Verlage
ISBN: 9783596700325
Ausgabe: Taschebuch (15 Euro)