Rezension: „Das Leben ist zu kurz für irgendwann“ von Ciara Geraghty

Das Leben ist zu kurz für irgendwann (Bildrechte: Goldmann)

„Es gibt keine Lösung. Jedenfalls keine einfache. Es gibt nur das Leben, das manchmal hart ist, oder mühsam oder beides zugleich. Aber es gibt auch die Freude.

(S.206)

Inhalt: Wie unternimmt man eine Reise durch Europa, wenn es wohlmöglich die letzte sein wird? Wie geht man miteinander um, wenn das Thema Tod zwischen einem selbst und der besten Freundin steht? Und was macht so eine Reise mit einem selbst? Diese Fragen müssen sich Iris und Terry auf Ihrem Weg in die Schweiz stellen, denn Iris ist schwer an MS erkrank. Mit diesem letzten Weg kann sich Terry nur schwer anfreunden, aber für ihre Freundin nimmt sie diese Last auf sich, selbst wenn es schwer fällt und obwohl sie sich doch eigentlich um ihren dementen Vater kümmern wollte.

Leseeindruck: So turbulent wie die eigentliche Reise ist auch der Roman selbst. Man hetzt förmlich von einer Szene zur nächsten. Das lässt einen zwar zügig vorankommen, sorgt aber auch für eine Menge Unruhe. Ich fühlte mich regelrecht getrieben und konnte nur schwer eine Verbindung zu Terry und Iris aufbauen, umso mehr schlägt mein Herz für Terrys Vater Eugene. Er ist trotz (vielleicht auch ein wenig wegen) seiner Demenz charismatisch und liebevoll, aber eben auch zutiefst verunsichert. Für ihn ist die Reise und die damit verbundene Spontanität sicher genauso schwer wie für seine Tochter. Was ein Glück, dass seine Figur so viel Lebensfreude und positive Naivität mit in die Story bringt. Die beiden Frauen allein hätten mich sicher verzweifeln lassen, da sie so starr wirken und besonders Terry keinen Millimeter von ihrem Standpunkt abweicht, Iris den begleiteten Suizid ausreden zu wollen. Alles in allem finde ich ihr Verhalten sehr übergriffig, auch wenn ihre Beweggründe durch und durch gutherzig sind. Es ist schön, dass Terry eine gute Entwicklung durchmacht und immer mehr lernt ihr Handeln zu reflektieren, allerdings ist ihre Entwicklung, wie auch die der anderen Figuren wenig überraschend. So abwechslungsreich der Plot ist, so vorhersehbar ist er auch. Da hätte ich mir wirklich mehr Überraschungen gewünscht, denn so ein verrückter und gleichzeitig emotionaler Roadtrip bietet dafür eine Menge Potential. Immerhin die emotionale Seite der Geschichte konnte bei mir punkten. Man setzt sich unweigerlich mit den Themen Sterbehilfe, Multiple Sklerose, Freundschaft und Demenz auseinander, schon allein deshalb lohnt sich der Roman. Es werden keine schwarz-weiß Bilder gezeichnet, sondern Sichtweisen aus mehreren Perspektiven aufgezeigt, wobei immer menschliche Schiksale im Mittelpunkt stehen, die wirklich berühren. Eugenes Demenz finde ich hier genauso wichtig wie Iris‘ vielschichtige Problematik rund um Krankheit und Tod.
Wirklich gestört hat mich Terrys Familie. Ok, Terry hat mit der Reise etwas sehr ungewöhnliches getan, aber sowohl ihr Mann als auch ihre erwachsenen Töchter bauen einen emotionalen Druck ihr gegenüber auf, dass mich jedes Telefonat zwischen den Parteien auf die Palme gebracht hat. Leider wird es auf dieser Welt genügend Familien geben in denen ohne eine allgegenwärtige Mutter nix funktioniert. Schade schade. Leider eine für mich sehr anstrengende Storyline, auch wenn sie wahrscheinlich wichtig ist, um Terrys Charakter zu verstehen.

Lieblingsnebencharakter: Iris dagegen strahlt immer etwas mehr Freude aus als Terry, sie weiß ihr Leben realistisch einzuschätzen und auch wenn ihre Familienprobleme nicht weniger konstruiert und vorhersehbar wirken, hat es mir gerade ihre Mutter angetan. Sie bringt Schwung in die Geschichte, ist besonders und hat trotz aller Verrücktheiten das Herz am richtigen Fleck. Ohne sie würde der Story was fehlen. Deshalb ist Iris Mutter mein unangefochtener Lieblingsnebencharakter.

Fazit: Der Roman bietet gute Unterhaltung zu wichtigen Themen wie Sterbehilfe, Demenz oder eben auch MS. Leider bleibt die Story samt ihrer Charaktere sehr vorhersehbar und schöpft ihr Potential nicht gänzlich aus. Kurzweilige Unterhaltung für ein paar vergnügliche Lesestunden werden aber trotz der ernsten Themen geboten. Wer sich darauf einlässt wird auch ein paar Denkanstöße zu besagten Themen bekommen. Für mich ein typisches Buch der Kategorie: Für seichte Unterhaltung zu ernst, für eine literarische Perle zu einfach gestrickt.

Bewertung
3 out of 5 stars

Bibliographisch Angaben:
Titel: Das Leben ist zu kurz für irgendwann
Autorin: Ciara Geraghty
Übersetzung: Sibylle Schmidt
Verlag: Goldmann
ISBN: 9783442315550
Ausgabe: Hardcover (20 Euro)

Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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