Rezension: „Die Glasperlenmädchen“ von Lisa Wingate

Cover „Die Glasperlenmädchen“ (Bildrechte: Limes Verlag)

„Man weiß erst, was man schaffen kann, wenn man es ausprobiert hat“ – Benny Silva

(S.507)

Inhalt: „Die Glasperlenmädchen“ erzählt die bewegende Geschichte von dem ehemaligen Sklavenmädchen Hannie und deren abenteuerlichen Reise durch die Südstaaten nach dem amerikanischen Bürgerkrieg in den 1870ern. Dabei ist sie nicht nur auf der Suche nach ihrem ehemaligen Besitzer und Plantagenbesitzer, sondern auch auf der Suche nach ihrer Familie, die als Erkennungszeichen drei blaue Glasperlen tragen. In einer zweiten Erzählebene geht es um die junge Lehrerin Benny Silva, die etwa einhundert Jahre später mit der Plantage in Berührung kommt und das Schicksal der Sklaven greifbar machen will und mit ihrer Recherche auch auf einigen Widerstand stößt.

Leseeinduck: Zu Beginn hat mich Hannie in ihren Bann gezogen, denn ihrer Geschichte ist so emotional und erschütternd, gerade weil sie ihr Schicksal so stoisch hinzunehmen scheint. Das muss sie aber wohl auch, um überhaupt überleben zu können. Ihre Stärke hat mich wirklich beeindruckt, auch wenn mit fortschreitender Handlung immer mehr erzählerische Längen auftauchen. Bei Benny verhält es sich genau umgekehrt. Ich hatte so einige Schwierigkeiten in ihre Story zu finden. Sie und auch ihre Schüler sind so unnahbar. Man muss zunächst die harte Schale durchbrechen, um an die liebenswerten Gemüter zu gelangen. Im Laufe der Handlung lernt man immer mehr Charaktere kennen, die alle versuchen ihren Weg zu gehen, dabei hat keiner von ihnen gelernt, auf Freundschaft und Vertrauen zu setzten. Es kommen eine Menge Klischees zum Einsatz, die zwar an der einen oder anderen Stelle sicher ihre Berechtigung haben, alles in allem aber eher dafür sorgen, dass gerade Bennys Kapitel sehr von Oberflächlichkeiten geprägt sind. Noch dazu hat mich kaum eine Wendung überrascht. Egal ob bei ihr selbst oder auch ihren Schülern. Insgesamt muss man sagen, dass der Erzählstil doch recht simpel gestrickt ist, dafür kommt man aber auch gut voran und kann für ein paar Stunden in die Südstaaten reisen, um viel wissenswertes über die Zeit nach der Abschaffung der Sklaverei zu erfahren, besonders wie schwer und unsicher die Lebensbedingungen der schwarzen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt immernoch waren (und leider heute auch noch sind). Dieser historische Aspekt ist für mich der größte Pluspunkt. Ansonsten hatte ich während des Lesens immer wieder das Gefühl, dass einfach zu viele Probleme in den Roman gepackt wurden. Das Ende der Sklaverei, die Probleme der Schulkinder in Bennys Story, die abenteuerliche Reise von Hannie und deren Suche nach Familienmitgliedern, das Aufarbeiten der Plantagengeschichte, Bennys Dasein als die „Neue“, Geheimnisse in der Familiengeschichte. Ich könnte noch lange so weitermachen. Es ist einfach Schade, dass diese wichtigen Punkte überhaupt nicht angemessen bearbeitet werden. Auch die Zusammenführung der beiden Zeitebenen ist in meinen Augen etwas holprig, dem hätte man mehr Raum geben können. Immerhin stimmt mich  das Ende von Hannies Reise versöhnlich, auch wenn es nicht überraschend war.

Lieblingsnebencharakter: Da die beiden Zeitebenen erst recht spät zusammengeführt werden, kann man für jede Storyline einen Lieblingsnebencharakter wählen. Für Hannie ist  das eindeutig Gus. So mutig, ehrlich und loyal wie er ist, ist er eindeutig der sympathischste Charakter in ihrer Story. Es ist schön zu sehen, wie Gus und Hannie Vertrauen zueinander aufbauen.Granny T. hat mich ihrer resoluten aber auch liebenswerten Art in Bennys Zeit am meisten beeindruckt. Sie ist einfach eine gute Seele und für alle da, sehr beeindruckend.

Fazit: Ein gut zu lesender historischer Roman, der zwar seine Längen hat, aber wichtige Probleme wie Sklaverei und die damit verbundenen sozialen Probleme anspricht. Etwas mehr Tiefe wäre wünschenswert gewesen, so bleibt es eine seichte Lektüre, die nur selten überraschen kann. Solide gute Unterhaltung wird einem aber allemal geboten.

Bewertung
3 out of 5 stars

Bibliographisch Angaben:
Titel: Die Glasperlenmädchen
Autorin: Lisa Wingate
Übersetzung: Andrea Brandl
Verlag: Limes Verlag
ISBN: 9783809027393
Ausgabe: Hardcover (22 Euro)

Ich danke dem Verlag und lovelybooks für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert