„Das Jahr, nachdem die Welt stehen blieb“ von Clare Furniss (Bildquelle: Carl Hanser Verlag)
„Aber ich kann an nichts anderes denken, als dass die Ratte sich immer mehr zu einer kleinen Person entwickelt, immer präsenter und realer wird, während ich immer weiter verschwinde.“ (S.172)
Inhalt: Die 16jährige Pearl lebt zusammen mit ihrer Mutter, die wieder schwanger ist, und ihrem Stiefvater in einem kleinen Haus in London. Sie hat nichts weiter zu beklagen in ihrem Leben, bis die Mutter stirbt und damit eine große Lücke in Pearls Leben hinterlässt. Für Pearl fühlt es sich so an, als wäre die Welt stehen geblieben, aber jetzt hat sie eine kleine Schwester und muss ihren Platz in der Familie erst wieder finden. Die Geschichte beschreibt das erste Jahr nach dem Tod der geliebten Mutter und wie Pearl damit umgeht.
Leseeindruck: Wie so oft bei einem Jugendbuch (ab 14 Jahre) ist die Sprache recht einfach und das Buch lässt sich sehr flüssig lesen. Im Mittelpunkt steht Pearl, die mit dem Verlust der Mutter umgehen muss. Sie ist zwar die Hauptfigur und ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, denn das ist schon ein gewaltiger Schicksalsschlag, aber richtig warm bin ich mit ihr nicht geworden. Sie handelt über weiter Strecken sehr egoistisch und mehr wie ein zickiger Teenager als eine trauernde Tochter. Ok, es reagiert bestimmt jeder anders, aber Pearl geht jedes bisschen Empathie verloren. Sie ist ihren Mitmenschen gegenüber sehr ungerecht. Ihr (Stief)vater, ihre beste Freundin Molly, ihre Granny alle bemühen sich wirklich um sie und stellen ihre eigenen Probleme hinten an, aber Pearl schafft es einfach nicht über ihren Schatten zu springen. Dadurch war die Geschichte für mich an vielen Stellen vorhersehbar. Die Figuren haben nie Dinge gemacht, mit denen ich nicht gerechnet hätte, dafür gibt es einen Stern Abzug. Den zweiten Stern ziehe ich für das vorhersehbare Ende ab.
Gut gefallen hat mir die emotionale Seite der Geschichte, der Zwiespalt in dem Pearl steckt und ihre Hilflosigkeit könnten besser nicht beschrieben werden. Plötzlich hinterfragt sie die Beziehung zu ihrem Stiefvater, obwohl sie immer ‚Dad‘ genannt hat, kann ihre kleine Schwester nicht beim Namen nennen und sieht nur die positiven Dinge in ihrer Mutter, obwohl die auch eine schwierige Person war. Die Idee, wie Pearls Mutter auch nach ihrem Tod noch teilhaben kann am Leben der Tochter hat mir gut gefallen, auf diese Weise durfte man auch ein paar lustige Szenen erleben und hatte die Möglichkeit die Mutter auch noch kennenzulernen.
Ich frage mich noch, warum sich auf dem Cover eine zerbrochene Eierschale zu sehen ist? Soll das zeigen, dass Pearls zu Hause zerbrochen ist? Ist die kleine Schwester das Kücken, das geschlüpft ist? Man schaut bei dem Cover auf jeden Fall hin. Hunderprozentig passend finde ich es aber nicht.
Lieblingsnebencharakter: Dulcie, die ältere Nachbarin von Pearl und ihrer Familie. Sie steht mit ihrer Lebenserfahrung der jungen Pearl gegenüber. Sie ist die einzige, bei der Pearl ihre Gedanken offen äußert und wir die echte Pearl kennenlernen dürfen, die sich nicht verschließt und mauert.
Fazit: Eine Geschichte, bei der die emotionale Ebene im Mittelpunkt steht. Inhaltlich und sprachlich wird es dem empfohlenen Lesealter absolut gerecht. Leider handeln die Figuren für mein Empfinden allzu vorhersehbar. Und das Buch endete so, wie ich es mir nach dem ersten Kapitel dachte. Dennoch ist es gute Unterhaltung für alle, die sich mit der Thematik (Patchwork)Familie, Tod und Freundschaft beschäftigen wollen.
Bewertung:
Bibliographische Angaben:
Titel: Das Jahr, nachdem die Welt stehen blieb
Autor: Clare Furniss (Übersetzung: Andrea O’Brien)
Verlag: Carl Hanser Verlag
Alter: ab 14 Jahre
ISBN: 9783446246263
Ausgabe: Hardcover (16,90€)